asylsystem schweiz asylanten asylbewerber änderung aufenthalsbewilligung asylzahlen
Die SVP hat im Ständerat erreicht, dass Asylbewerber länger auf eine Aufenthaltsbewilligung warten müssen. (Bild: UNICEF)

Asylbewerber müssen länger auf Aufenthaltsbewilligung warten

Bisher konnten vorläufig aufgenommene Asylbewerber nach fünf Jahren einen Antrag für eine dauerhafte Aufenthaltsbewilligung einreichen. Nun haben der Ständerat und anschliessend auch der Nationalrat entschieden, diese Frist auf zehn Jahre zu verlängern. Demnach müssen Asylbewerber doppelt so lange warten, bis sie in der Schweiz eine Aufenthaltsbewilligung beantragen können. Damit wollen die bürgerlichen Parteien im Parlament den Anreiz für Asylbewerber, in der Schweiz ein Asylgesuch zu stellen, deutlich mindern.

Das Asyl-System in der Schweiz ist deshalb ein Widerspruch, weil der Status der “vorläufigen Aufnahme” ein in sich widersprüchliches Signal aussendet. Oftmals ist in den Kontext von einem Fehlanreiz die Rede. Vorläufig aufgenommene Asylbewerber sind Menschen, die einen ablehnenden Asylentscheid – verbunden mit einem Wegweisungsentscheid, erhalten haben. Gleichzeitig besagt das Völkerrecht in vielen Fällen, dass eine Wegweisung aus der Schweiz nicht zumutbar sei. Sei es, weil der wegzuweisenden Person im eigenen Land eine konkrete Gefährdung droht. Oder der Person wegen ihrer politischen Einstellung oder des Glaubens die Verfolgung oder Schlimmeres droht. Oftmals sind auch vollzugstechnische Gründen ausschlaggebend, weshalb ein abgewiesener Asylbewerber nicht in sein Heimatland zurückgeschafft werden kann.

Aus einem ablehnenden Asyl-Entscheid wird oftmals ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht

Was beispielsweise der Fall ist, wenn das Herkunftsland der Asylsuchenden seine Leute grundsätzlich nicht wieder zurücknimmt. Oftmals scheitern auch Rückführungen in ein Land, mit dem die Schweiz ein Rückführungsabkommen abgeschlossen hat. Weil humanitäre Bestimmungen im Völkerrecht eine Abschiebung verunmöglichen. So der Fall, wenn im Herkunftsland Krieg, Hungersnot oder eine desolate wirtschaftliche Lage herrscht. Aus der Perspektive der Schweiz kann man es drehen und wenden wie man will, aber unter diesen Bedingungen wird der Vollzug der Wegweisung eines Asylbewerbers ad absurdum geführt. Sodass der Status der “vorläufigen Aufnahme” in der Praxis oftmals bedeutet, dass sich ein Asylbewerber – trotz rechtskräftigem Rückführungsentscheid, schlussendlich dauerhaft in unserem Land aufhalten darf.

Zum jetzigen Zeitpunkt leben über 40’000 vorläufig aufgenommene Asylbewerber in der Schweiz. Nach fünf Jahren Aufenthalt können vorläufig Aufgenommene ein Gesuch für eine ordentliche Aufenthaltsbewilligung stellen. Das Staatssekretariat für Migration (SEM) hat zwischen 2021 und 2024 in über 19’000 Fällen dem Gesuch für einen ordentlichen Aufenthalt stattgegeben. Das sind rund 5’000 Fälle im Jahr. Womit die Schweiz nach aussen hin signalisiert, dass die Ablehnung eines Asylgesuchs nicht automatisch bedeutet, dass die Person auch tatsächlich aus dem Land gewiesen wird. Aus einem negativen Asylentscheid wird damit plötzlich ein positives Aufenthaltsrecht. Das Asylsystem dreht sich im Kreis.

Der Ständerat ist der Argumentation des SVP-Exponenten Jakob Stark mit einer Zweidrittelmehrheit gefolgt

Der Thurgauer SVP-Ständerat Jakob Stark, der die entsprechende Motion im Ständerat eingereicht hat, bringt die jetzige Situation auf den Punkt: Du musst als abgewiesener Asylbewerber lediglich lange genug in der Schweiz ausharren, dann erhältst du in der Schweiz irgendwann doch das Aufenthaltsrecht.

In seinem Votum während der Debatte im Ständerat sagte Stark vielsagend: “Mit der Motion, die ich Ihnen hier vorlege, habe ich nicht den Anspruch, diese grossen Widersprüche aufzulösen. Aber mit einer Ausdehnung der Frist für eine ordentliche Aufenthaltsbewilligung von fünf auf zehn Jahren – immer ab Einreise in die Schweiz beziehungsweise Einreichung des Asylgesuchs gerechnet – kann die Motion wenigstens das Signal nach aussen etwas abschwächen, dass man und frau in der Schweiz bleiben kann, auch wenn das Asylgesuch abgelehnt worden ist.”

Der Sozialdemokrat Beat Jans muss trotz innerer Widerstände den Widerspruch im Asyl-System korrigieren

Dem Justizminister in der Person von Bundesrat Beat Jans (SP) obliegt nun die Aufgabe, als Vertreter der Regierung das bestehende Gesetz im Geiste der Motion Stark zu ändern. Dieser sieht im bestehenden Asyl-System im Gegensatz zum Ständerat keinen Fehlanreiz. Im Gegenteil. “Eine Verlängerung auf zehn Jahre würde die Integration erheblich erschweren. Das ist nicht im Interesse der Betroffenen, nicht der Wirtschaft und nicht der Kantone, denen das nur zusätzliche Probleme bringen würde”, vermerkt Jans am Ende der Ratsdebatte im Ständerat lakonisch. Da das Parlament jedoch das letzte Wort hat, wenn es um die Gesetzgebung geht, wird der Sozialdemokrat den bestehenden Fehlanreiz wohl oder übel beheben müssen.

Ständerat lehnt die Motion von Esther Friedli zum Resettlement-Programm des Bundesrates ab

Die Motion 25.3625 von SVP-Ständerätin Esther Friedli hat der Ständerat hingegen mit 21 zu 23 Stimmen knapp abgelehnt. Mit ihrer Motion wollte die St.Galler Vertreterin im Ständerat den Bundesrat dazu verpflichten, auf die Wiedereinführung des Resettlement-Programms zu verzichten. Der Bundesrat kann grösseren Personengruppen im Rahmen von Resettlement-Programmen Asyl gewähren. Seit 2013 hat der Bundesrat rund 7’000 Personen aus Konfliktgebieten im Nahen Osten direkt in die Schweiz eingeflogen. Dabei handelte es sich laut dem UNO-Flüchtlingshochkommissariats (UNHCR) ausnahmslos um Flüchtlinge. Das Resettlement-Programm ist am 1. April 2023 wegen den rekordhohen Asyl-Zahlen ausgesetzt worden.

Während der Ratsdebatte hat Esther Friedli darauf hingewiesen, dass ein Grossteil der seitdem Aufgenommenen (über 60 Prozent!) heute noch von der Sozialhilfe lebt. Dass die Integration der Menschen in den Arbeitsmarkt kläglich gescheitert ist. “Diese Leute bleiben ein Leben lang in der Sozialhilfe”, so Friedli.

Die Gemeinden seien bei der Integration und Unterbringung der Flüchtlinge weiterhin überfordert. Weil der Zustrom von Menschen ins Asyl-System der Schweiz weiterhin zu hoch sei, als dass noch mehr Menschen über das Resettlement-Programm in die Schweiz geholt werden könnten. Angesichts der riesigen Herausforderungen drohe die totale Überlastung des Systems, stellt Friedli fest. All den guten Argumenten zum Trotz – die St. Gallerin blieb mit ihrer Motion in der kleinen Kammer haarscharf unterlegen.

Der Westschweizer Ständerat Mauro Poggia fordert die Abkehr vom Schutzstatus S

Ebenfalls abgelehnt hat der Ständerat die Motion 25.3738 von Mauro Poggia vom Mouvement Citoyens Genevois. Poggia, Mitglied der SVP-Fraktion im Ständerat, wollte mit seiner Motion die Aufhebung des Schutzstatus S erwirken. Er unterlag jedoch mit 8 zu 37 Stimmen deutlich. Der Schutzstatus S ist vom Bundesrat am 12. März 2022 für Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine eingeführt worden. Der Westschweizer Poggia ist mit seiner Auffassung, dass Ukrainer und Ukrainerinnen den speziellen Schutzstatus nicht mehr benötigen, nicht reüssiert. Seine Kolleginnen und Kollegen im Ständerat konnte er mit dem Argument, dass die Flüchtlinge den Sozialstaat übermässig belasten – lediglich maximal ein Drittel der Geflüchteten hätten seitdem eine Arbeit gefunden, nicht überzeugen.

Der Tessiner Marco Chiesa wollte zurück zum Grundgedanken des temporären Schutzes

Mit 20 zu 25 Stimmen im Rat unterlegen ist auch der Tessiner SVP-Vertreter Marco Chiesa mit seiner Motion 25.3743. Chiesa wollte mit seinem Vorstoss erreichen, dass die Schweiz den Asyl-Status bloss noch befristet für zwei Jahre gewährt. Und dass die Gewährung von Asyl nach einer Überprüfung um jeweils zwei Jahre verlängert werden kann. Ihm dienen die beiden nordeuropäischen Länder Schweden und Dänemark – wo diese Praxis bereits angewandt wird, als Beispiel.

Marco Chiesa wollte eine Änderung des vorherrschenden Modus Operandi erwirken. Indem bei der Gewährung von Asyl nur noch eine bundesrechtliche Bewilligung erteilt wird. So wie es bei vorläufigen Aufnahmen bereits der Fall ist. Damit liessen sich Doppelspurigkeiten zwischen den Asylverfahren auf Bundes- und Kantonsebene vermeiden. Zwei getrennt voneinander stattfindende Verfahren würden zu unnötigen Verzögerungen führen, ist Chiesa überzeugt. Der Tessiner SVP-Ständerat wollte mit seiner Motion zurück zum Grundgedanken der Flüchtlingskonvention. Zurück zum temporären Schutz für echte Flüchtlinge, solange ein begründeter Schutzgrund besteht. E basta!