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Die Kunstwerke der Bührle-Sammlung verbleiben auch weiterhin im Kunstmuseum Zürich. (Bild zVg)

Kunstwerke der Bührle-Sammlung verbleiben im Kunsthaus Zürich

Zürcher Kunstgesellschaft und Stiftung Sammlung E. G. Bührle verabschieden konkrete Schritte ihrer weiterführenden partnerschaftlichen Zusammenarbeit Vor dem Hintergrund der nationalen und internationalen Entwicklungen in der Provenienzforschung, der öffentlichen Diskussion zur Präsentation der Dauerleihgabe im Kunsthaus sowie der Überprüfung der Provenienzforschung der Stiftung Sammlung E.G. Bührle durch Prof. Raphael Gross war es erforderlich, die Beziehung zwischen der ZKG und der Bührle-Stiftung neu zu beurteilen und zu regeln. Damit verbleiben die Kunstwerke der Bührle-Sammlung auch weiterhin im Kunsthaus Zürich.

Nach intensiven Gesprächen verabschiedeten die ZKG und die Bührle-Stiftung gestern, Leitlinien mit folgenden Punkten und Schritten ihrer weiterführenden partnerschaftlichen Zusammenarbeit:

  • Die Werke der Bührle-Stiftung bleiben als Dauerleihgabe weiterhin im Kunsthaus Zürich der Öffentlichkeit zugänglich.
  • Mit einem gezielten, auf fünf Jahre angelegten Projekt übernimmt die Zürcher Kunstgesellschaft – gemäss Subventionsvertrag mit der Stadt Zürich sowie dem Dauerleihvertrag mit der Bührle-Stiftung – die Provenienzforschung der Sammlung im Kunsthaus. Mit diesem Engagement bekennt sie sich zu ihrer Verantwortung als Institution, sich der Geschichte und ihren Ambivalenzen aktiv und mit der gebotenen Dringlichkeit zu stellen.
  • Die Bührle-Stiftung bekräftigt ihr Bekenntnis, bei Werken der Dauerleihgabe mit begründeten Hinweisen auf einen NS-verfolgungsbedingten Entzug faire und gerechte Lösungen anzustreben.
  • Drei neue Präsentationskonzepte eröffnen in den nächsten fünf Jahren neue Perspektiven auf die Werke und vertiefen die historische Kontextualisierung. Der Bericht zur Überprüfung der Provenienzforschung der Bührle-Stiftung wurde im Auftrag von Stadt, Kanton und der Zürcher Kunstgesellschaft erstellt und im Juni 2024 der Öffentlichkeit präsentiert. Die drei im Bericht unter Kapitel 4.2 aufgelisteten Empfehlungen wurden in der nun vereinbarten Weiterentwicklung der Zusammenarbeit mit berücksichtigt. Die Umsetzung dieser Schritte erfolgt vor dem Hintergrund einer Dringlichkeit, die sich aus der gesellschaftlichen Relevanz des Themas, der historischen Verantwortung und dem öffentlichen Interesse ableitet.

«Es freut mich ausgesprochen, dass diese Sammlung für die nächsten Jahre weiterhin im Kunsthaus bleiben wird. Nach intensiven und stets konstruktiven Gesprächen ist es uns gemeinsam gelungen, das Vorgehen zur Provenienzforschung künftig bei allen Werken im Kunsthaus konsistent gemäss den hohen Standards der Zürcher Kunstgesellschaft festzulegen. Wir begrüssen und anerkennen das Engagement der Bührle-Stiftung zur Findung von fairen und gerechten Lösungen», Philipp Hildebrand, Präsident Zürcher Kunstgesellschaft

Die Zürcher Kunstgesellschaft und die Bührle-Stiftung ergänzen die bestehenden vertraglichen Vereinbarungen durch gemeinsame Leitlinien und regeln so zentrale Aspekte der Zusammenarbeit präzise.

Die drei zentralen Elemente der künftigen Zusammenarbeit:

I. Provenienzforschung

Die Zürcher Kunstgesellschaft vertieft und verantwortet die Provenienzforschung zu den Werken, die als Dauerleihgabe der Bührle-Stiftung im Kunsthaus aufgenommen wurden (205 Werke). Dies ist ihre Aufgabe gemäss dem Dauerleihvertrag vom 22.02.2022 und dem Subventionsvertrag vom 29.05.2023, wurde aber aufgrund des Mandats von Prof. Raphael Gross sistiert. Die Zürcher Kunstgesellschaft erforscht dabei gemäss ihrer Provenienzstrategie diese Werke der Dauerleihgabe nach denselben hohen Qualitätsstandards wie die Kunstobjekte der eigenen Sammlung.

In ihrer Provenienzstrategie anerkennt die Zürcher Kunstgesellschaft die «Ethischen Richtlinien für Museen von ICOM» des Internationalen Museumsrats sowie die «Richtlinien der Washingtoner Konferenz in Bezug auf Kunstwerke, die von den Nationalsozialisten konfisziert wurden» und deren Folgeerklärungen. Die Provenienzforschung orientiert sich am Begriff der «NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgüter» im Sinne der Erklärung von Terezin (2009). Geplant ist ein fünfjähriges Forschungsprojekt zu den Provenienzen der Werke der Bührle-Stiftung. Das Projekt baut auf den Forschungsdokumenten der Bührle-Stiftung und auf den Forschungsergebnissen auf, die im Bericht von Prof. Raphael Gross veröffentlicht wurden.

ZKG folgt Empfehlungen von Prof. Raphael Gross

Die Zürcher Kunstgesellschaft wird die Werke in einer ersten Sichtung systematisch nach ihren eigenen Standards prüfen, kategorisieren und anhand einer Priorisierung entscheiden, bei welchen Werken eine erweiterte, vertiefende Forschung durchgeführt werden muss.

Die Zürcher Kunstgesellschaft folgt damit der Empfehlung von Prof. Raphael Gross, wonach die Provenienzforschung an der Dauerleihgabe der Bührle Stiftung weitergeführt werden muss und übernimmt die Verantwortung dafür. Die Bührle-Stiftung ihrerseits bekräftigt ihre Bereitschaft, bei Werken der Dauerleihgabe mit begründeten Hinweisen auf NS-verfolgungsbedingten Entzug faire und gerechte Lösungen zu suchen. Sie strebt Verhandlungslösungen an, welche einen dauerhaften Erhalt der betreffenden Werke im Kunsthaus Zürich ermöglichen, wie dies jüngst bereits im Fall von Manets «La Sultane» geschehen ist. Dies ist mit substanziellen finanziellen Beiträgen der Bührle-Stiftung verbunden.

Beide Parteien tragen auf ihre Weise dazu bei, dass die erstklassigen Werke der Sammlung weiterhin untersucht und der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden können. Aufgrund der Einsetzung der unabhängigen Expertenkommission für historisch belastetes Kulturerbe (folgend: nationale Kommission) – deren Schaffung die Zürcher Kunstgesellschaft begrüsst – verzichtet das Kunsthaus, wie bereits angekündigt, auf die Bildung einer eigenen internationalen Expertenkommission.

Der Empfehlung von Prof. Raphael Gross zur Einrichtung eines fachlich und biografisch multiperspektivischen Gremiums trägt die Zürcher Kunstgesellschaft durch ein mehrstufiges Modell Rechnung: Neben dem Peer-Review-Verfahren der Provenienzforschung, wie es im akademischen Umfeld üblich ist, kommen ein internes Prüfschema sowie die Möglichkeit zur Anrufung der nationalen Kommission zur Anwendung.

II. Drei neue Ausstellungen mit unterschiedlichen Schwerpunkten über einen Zeitraum von fünf Jahren

Nach einer Vorbereitungszeit von maximal 18 Monaten werden zeitgleich drei neue kuratorische Formate präsentiert. Diese eröffnen zusätzliche Perspektiven. Zwei der drei Projekte nehmen direkt Bezug auf die Empfehlungen von Prof. Raphael Gross.

  • Eine Ausstellung würdigt die Rolle jüdischer Sammlerinnen und Sammler in der Förderung der Moderne.
  • Eine Ausstellung widmet sich der historischen Kontextualisierung der Sammlung und der Person Emil Bührle sowie seiner Verbindung zum Kunsthaus Zürich und wird dauerhaft im Chipperfield-Bau gezeigt.
  • Eine weitere Ausstellung zeigt die Bilder der Sammlung als Kunstwerke, mit Fokus auf die Künstlerinnen und Künstler, ihre Motive und kunsthistorischen Entwicklungen, wo möglich in Verbindung mit anderen Werken des Kunsthauses.

III. Evaluation der Partnerschaft 2030

Die bestehenden Vereinbarungen laufen gemäss Dauerleihvertrag vorerst bis 2034. Eine Evaluation der bisherigen Zusammenarbeit mit Blick auf die weitere Partnerschaft über diesen Zeitpunkt hinaus ist für das Jahr 2030 vorgesehen.

Zur Umsetzung der Massnahmen

Die Dauerleihgabe der Bührle-Stiftung steht in engem Zusammenhang mit der Schweizer Geschichte des 20. Jahrhunderts und ihren Brüchen und Ambivalenzen. Die erweiterte Provenienzforschung und die neuen Ausstellungsformate verstehen sich als Beitrag zur aktiven Erinnerungskultur – und als klares Zeichen dafür, dass die Zürcher Kunstgesellschaft Verantwortung übernimmt für eine differenzierte Vermittlung gesellschaftlich sensibler Inhalte. Die erweiterte Provenienzforschung sowie die Konzeption und Umsetzung neuer Ausstellungsformate im Kontext einer aktiven Erinnerungskultur orientieren sich an den Empfehlungen von Prof. Raphael Gross, sind zeitlich dringlich, und erfordern zusätzliche Ressourcen.

Ihre Umsetzung kann aus inhaltlichen, ethischen und institutionellen Gründen nicht auf unbestimmte Zeit verschoben werden, ohne an Relevanz und Wirkung einzubüssen. Gleichzeitig übersteigen Umfang und Anspruch dieser Massnahmen deutlich das, was das Kunsthaus Zürich mit seinen regulären Mitteln in der notwendigen Frist von ca. fünf Jahren leisten kann. Die Zürcher Kunstgesellschaft hat daher einen Unterstützungsantrag in Höhe von CHF 3 Mio. zur Finanzierung dieser aus den Empfehlungen des Gross-Berichts abgeleiteten Massnahmen an die Stadt Zürich gestellt.

Um die entsprechenden Forschungsarbeiten so rasch wie möglich angehen zu können, besteht hier im Zusammenhang mit der städtischen Finanzierung auch
eine gewisse Dringlichkeit.

https://www.kunsthaus.ch