Mit dem Motorrad zu den Polarlichtern

Es gibt sie ja, diese Abenteuer-Junkies, die den Urlaub lieber abseits der üblichen Pfade verbringen. Sie sehnen sich nach Zugluft um die Ohren und Adrenalin in Blut, denn nichts vernichtet sie mehr als ein ruhiger Tag im Wellness-Bereich. Sie fühlen sich der Gruppe zugehörig? Wenn ja, warum nicht ein winterliches Abenteuer in Betracht ziehen? Eventuell auf dem Motorrad?

Nordlichter im hohen Norden Norwegens

MOTORRAD-REISEN IM WINTER?

Ein Abenteuerurlaub auf zwei Rädern gehört standardgemäß ja in die warme Jahreszeit. Aber wer es lieber etwas nervenaufreibender haben möchte, der kann den Spieß diesen Winter gerne umdrehen. Wir hätten da einen Vorschlag für eine Reise in den hohen Norden. Doch eins vorweg: es wird kein Spaziergang. 

Die Reiseidee stammt von zwei mutigen jungen Männern aus Italien, Alessandro und Emilio. Die beiden gehören dem Bomboogie Riders Clan an. Dieser hat es sich zur Aufgabe gemacht, die extremsten Orte der Welt mit dem Motorrad zu erreichen. Letztes Jahr hieß das Ziel auf der Landkarte „Nordkap“, der äußerste Punkt Norwegens. Und zwar im Dezember bei Minus 40 Grad. 

Die Motorrad-Reise des Riders Clan.

WENN DIE SONNE WINTERSCHLAF HÄLT UND DIE NORDLICHTER ERWACHEN

Was die beiden, neben dem Nervenkitzel, im Winter ans Nordkap lockte? Die sagenumwobenen Polarlichter. Sie liefern seit Jahrhunderten Quellen für Kunst, Mythologie und Legenden. Deshalb war der Fotoapparat eines der ersten Utensilien, die Alessandro und Emilio in den Rucksack packten.

Und dies ist auch unser Tipp: die Reise ist ein spektakuläres Naturschauspiel. Jeder Kilometer weiter Richtung Norden verspricht mehr eindrucksvolle Fotomotive. Irgendwann sind da nur noch das Motorrad, die grün-violetten Polarlichter und Sie. Denken Sie beim Start unbedingt an die richtige Fotoausrüstung. 

ALS STARTPUNKT DES MOTORRAD-ABENTEUERS EMPFIEHLT SICH DER SÜDEN

Das Klima im hohen Norden ist im Winter sehr rau. Deshalb sollte lieber in Mitteleuropa gestartet werden, damit ein wenig Zeit bleibt, um sich zu akklimatisieren. 

Der Bomboogie Riders Clan wählte als Ausgangspunkt seine Heimat Turin, Italien. Von dort dauert die Reise circa 14 Tage. 9.500 km sind es an Strecke. Wenn Sie von Deutschland aus starten, dann reduziert sich die Straße natürlich ein wenig. 

Bis nach Hamburg verläuft die Route über altbekannte deutsche Pfade: Autobahnen. Ebenso verhält es sich in Dänemark. Dort wählten Emilio und Alessandro die Fähre zwischen Frederikshavn und Göteborg, um Skandinavien mit ihrem Motorrad zu erreichen. Wer aber lieber Kopenhagen und Südschweden einen Abstecher verpassen möchte, wählt den Umweg über die Insel- und Brückenlandschaft Dänemarks.

ANKUNFT IN SKANDINAVIEN – AB JETZT WIRD ES FRISCH

Göteborg empfängt seine Besucher mit einer Dezember-Durchschnittstemperatur von knapp Null Grad und ungefähr ein bis zwei Sonnenstunden pro Tag. Aber wer es extrem mag, kommt hier erst richtig in Fahrt.

Die Reise geht weiter über Oslo bis hin nach Trondheim. Die Straßen führen entlang der zerklüfteten Fjorde: wunderschön, aber es sind Kinder des Windes und des ewig arbeitenden Meeres. Im Dezember also keine angenehmen Zeitgenossen.

Ungemütliche Straßenverhältnisse mit dem Motorrad

NÖRDLICH DES POLARKREISES – DER KÖNIGSABSCHNITT

Ab dem 66. Breitengrad geht die Sonne praktisch gar nicht mehr auf. Doch der Weg ist noch weit, gut 1.000 km trennen Ihr Motorrad und das Nordkap noch. Das Leben beschränkt sich hier auf ein Minimum. Emilio und Alessandro beschreiben es in ihrem Reisebericht sehr treffend: 

„Wenn Du dort angelangt bist, weißt Du, was Alleinsein wirklich bedeutet: keine Tankstellen, keine Häuser, kein Lebenszeichen für viele Kilometer. Wunderschön, und doch so erschreckend, denn Du weißt, wenn jetzt etwas passiert, bist Du dran.“

ANKUNFT AUF MAGERØYA, DER HEIMAT DES NORDKAPS

Das Nordkap liegt auf der Insel Magerøya. Übersetzt bedeutet das so viel wie „karge Insel“. Nur 3.000 Einwohner zählt sie. 300 Meter hohe Klippen trennen diese von der eisigen See. Minus 30 Grad ist hier keine Seltenheit. Das bedeutet taube Finger und eisige Waden. Alessandro aus dem Bomboogie Riders Clan erzählt von einem an den Helm angefrorenen Bart.

Diese Extremtemperaturen setzen auch einem Vehikel auf zwei Rädern zu. Angeschlagene Reifen, ramponierte Nummernschilder und einige Beulen im Metall – damit müssen Sie rechnen. 

Aber die Belohnung an der nördlichsten Spitze Norwegens ist atemberaubend. Zahlreiche Nordlichter bieten eine wunderschöne Ballettaufführung am Nachthimmel. Grüne und violette Farbstränge verbinden und lösen sich immer wieder. Spektakuläres Bildmaterial gibt es hier in Hülle und Fülle. 

Nordlichter auf der Insel Magerøya

AUFBRUCH – ZURÜCK IN DIE ZIVILISATION

Die Rückfahrt stellt Sie ebenfalls vor einige Fragen, die Ihnen nur das Klima beantworten kann. Nämlich welche Route die am besten befahrbare zur Zeit der Reise ist. Lappland ist im Winter geizig mit Licht und großzügig mit Schneestürmen, die ganze Straßenabschnitte lahmlegen.

Alessandro und Emilio hatten Glück: sie konnten die Eiswüste Finnlands relativ direkt überqueren. Nach einigen Tagen erreichten sie Helsinki, die Hauptstadt des Landes. Von dort aus lösten sie ein Ticket für die Fähre nach Estland.

DIE RÜCKREISE: EIN ECHTES KULTUR-HIGHLIGHT

Estland, Lettland und Litauen klettern seit Jahren immer weiter nach oben auf der Liste der beliebtesten europäischen Reiseziele. Ihre Hauptstädte sind gekennzeichnet von mittelalterlichen Kulissen, aber auch High-Tec-Innovationen. Ein schöner kultureller Treffpunkt.

Wer sich dort ein wenig Entspannung nach den Strapazen gönnen möchte, kann noch einige Reisetage dazu buchen. Auf dem Weihnachtsmarkt von Riga riecht zu dieser Zeit verführerisch nach Pfefferkuchen und Glühwein. Eine wohlverdiente Abwechslung nach den Frostbeulen und eisigen Winden. Doch Achtung bei den gebrannten Mandeln: die typische lettische Version bestehen aus Zwiebel, Knoblauch und Öl. Sie soll aber ganz vorzüglich schmecken.

Der letzte Teil der Reise führt durch Polen, bis Sie schließlich wieder deutschen Boden erreichen. Sobald Sie dort ankommen, dürfte das Motorrad eine kleine ästhetische Behandlung vertragen. Bestenfalls ist aber die Speicherkarte des Fotoapparats voll und Sie haben erst einmal genug Adrenalin in den Adern. 

Sonnenuntergang in Norwegen