Gestern hat die parlamentarische Versammlung des Europarats Alt-Bundesrat Alain Berset mit 114 von 245 gültigen Stimmen zum neuen Generalsekretär gewählt. Er wird sein Amt am 18. September 2024 antreten. Gratulation Herr Berset, Sie haben gewonnen. Auch wenn ich gehofft habe, Sie würden verlieren. Weil mit Ihnen an den Schalthebeln der Europäischen Union kann die Schweiz nur in Turbulenzen geraten! Wir alle wissen, wie geschickt Sie mit Hebeln umgehen können. So geschickt, dass französische Kampfflugzeuge Ihnen den Weg zum richtigen Flughafen weisen müssen. «Honi soit qui mal y pense», würde man in Ihrer Muttersprache sagen. Als Eidgenosse in der Position des Generalsekretärs werden Sie der Schweiz – unserem unabhängigen Land, immensen Schaden zufügen. Und ich erkläre Ihnen in diesem Beitrag gerne auch, weshalb.
Von Claudio Prader
Die Details zur Wahl haben wir alle mittlerweile in der Tagespresse gelesen. Analog, digital. So erspare ich Ihnen das Kleingedruckte und komme gleich zu ein paar grundsätzlichen Gedanken. Wer die Wahl von Alain Berset zum Generalsekretär des Europarates aus einer anderen Perspektive betrachtet, dem kann es gleichwohl deftig den Magen umdrehen. Gerade so, als sässe man in einem Flugzeug. Mit Alain Berset als Pilot am Steuerknüppel. Weil, naja, Sie wissen …
Trotz allem, es ist mir lieber, der ehemalige Innenminister schmiert auf dem EU-Parkett als Vermittler ab, als dass er mit seinem Privatjet über der Schweiz urplötzlich aus den Wolken herausbricht und wild taumelnd irgendwo mit einem lauten Knall auf einem Kinderspielplatz aufschlägt. Apropos abschmieren: Weshalb lesen wir in den Mainstream-Medien nichts über Berset’s Crash-Landung in Strassburg?
So sehr wir alle – auch wir Medienleute, von dieser Wahl abgelenkt sind. Und mitunter auch in dieser Nussschale sitzen. Und weil dort sitzend wir alle gleichsam mit Blindheit geschlagen sind. Denn wer ein paar Schritte zur Seite steht – wer vielleicht auch ein paar Schritte weiter von einem EU-Beitritt der Schweiz entfernt steht, augenblicklich klarer sieht und sich einige Gedanken macht. Über die Konsequenzen dieser Wahl. Für unser Land, für uns alle. Mir persönlich graut’s. Und Ihnen?
Alain Berset ist bei seiner Wahl zum Generalsekretär des Europarates böse abgeschmiert
Eines möchte ich klar und deutlich festhalten: Alain Berset ist bei der Wahl zum Generalsekretär des Europarates böse abgeschmiert. Es war keine erfolgreiche, wenngleich dafür eine Millionen Franken teure Kandidatur. Sondern es war ein Desaster. Deutlich weniger als die Hälfte der Parlamentsmitglieder haben für ihn gestimmt. Und er schaffte es im zweiten Wahlgang nur deshalb, weil für eine Wahl bloss noch das relative Mehr der Stimmen nötig ist. Kein Resultat also, bei dem man spontan in Jubel ausbrechen würde. 114 bei 245 Stimmen ist nicht gerade berauschend. Bei Bundesratswahlen würden wir von einem eher enttäuschenden Resultat sprechen. Zum Vergleich: Die noch amtierende Generalsekretärin Marija Pejcinovic Buric, ist 2019 mit 159 von 264 gültigen Stimmen gewählt worden. Das nenne ich einen Erfolg der kroatischen Amtsinhaberin.
Die SVP wird zum Steigbügelhalterin für die Ambitionen eines Alt-Bundesrates
Als Liberaler wirkt für mich befremdlich, wenn sich SVP-Nationalrat Alfred Heer sowie der Schaffhauser SVP-Ständerat Hannes Germann nach der Wahl von Berset zu Jubelgesängen hinreissen lassen. Und dazu die Champagnerkorken knallen lassen. Die ansonsten so EU-kritische Schweizerische Volkspartei klatscht urplötzlich überschäumend einer tragenden Säule der Europäischen Union frenetischen Beifall. Ausgerechnet einer der Säulen, welche die Partei ansonsten stets einzureissen versucht. Oder bloss droht es tun zu wollen? Also was genau gab’s in Strassburg eigentlich zu feiern, liebe Herren Heer und Germann?
Gerade den bürgerlichen Politiker sollte die Sprengkraft des Amtes eines Schweizer Generalsekretärs des Europarats eigentlich bewusst sein.
Dass nun ausgerechnet ein Schweizer eines der höchsten diplomatischen Ämter innerhalb der Europäischen Union bekleidet, verheisst für die Schweiz nichts Gutes. Medien wie der Tages-Anzeiger und Co. feiern das, als wäre Karl Marx höchstpersönlich an der Bahnhofstrasse in Zürich erschienen. Mir hingegen ist weniger zum feiern zumute.
Wie gross, bedeutend (und teuer!) das bürokratische Geflecht Europarat innerhalb der Europäischen Union ist, zeigen alleine schon die Zahlen. Als Generalsekretär leitet Alain Berset ab dem 18. September 2024 ein Koloss mit über 1’800 Mitarbeitenden und einem Budget von über 600 Millionen Euro. Der Europarat steht für die Förderung der Menschenrechte, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit in den 46 angeschlossenen Ländern ein. Auch tritt dieser international auf. Denn schlussendlich gilt es, als Hüterin der Europäischen Menschenrechtskonvention, Verstösse gegen eben diese auch weltweit anzuprangern und zu ahnden. Was für eine Anmassung!
Alt-Bundesrat Alain Berset sitzt für die Schweiz Mitten in einem diplomatischen Minenfeld
Die erste Sprengfalle für die Schweiz hat Alain Berset sogar ganz von selbst entdeckt. Dieser Teufelskerl! In seiner Dankesrede wies Berset nämlich darauf hin, dass er als Generalsekretär der bedingungslosen Unterstützung der Ukraine erste Priorität einräume. Das Land sei ausserdem so rasch wie möglich für die entstandenen Schäden zu kompensieren, findet unser SP-Alt-Bundesrat. Klingt so ein Diplomat, der der Unparteilichkeit helvetischer Prägung den höchsten Rang einräumt? Spricht so ein Magistrat, der die Schweiz als unparteiisches und neutrales Land repräsentiert? Also wie bitte kann Berset als Generalsekretär glaubhaft machen, die Schweiz stünde als neutrale Partnerin da.
SVP-Nationalrat Roland Rino Büchel hat einen naiven Wunsch an Alain Berset
Wie naiv erscheint dabei die Hoffnung von SVP-Nationalrat Roland Rino Büchel, dass es Berset gelingen wird, wieder mit den Russen ins Gespräch zu treten. Wie sagte einst der russische Botschafter in der Schweiz, Sergei Garmonin, über das Ansehen der Schweiz in Russland in der «Sonntags-Zeitung»: Die Schweiz hat ihre Rolle als unparteiliche internationale Vermittlerin verloren. Die Schweiz habe sich den «illegitimen Sanktionen» angeschlossen und befürworte aktiv die Idee eines internationalen Tribunals zur Verurteilung der russischen Staatsführung. Im Weiteren habe sich die Schweiz von Anfang an mit einer der Konfliktparteien solidarisiert – damit meint er zufällig die Ukraine. Eine Schweizer Vermittlung komme deshalb nicht mehr infrage.
Es gehe ihm auch darum, sich in seinem Amt für die Menschenrechte und das Wesen des Rechtsstaates einzusetzen, säuselte Alain Berset in seiner Dankesrede. Berset will sich für die Werte des Rechtsstaates einsetzen und riskiert damit, dass die Schweiz im internationalen Staatenbund als Unrechtsstaat da steht. Eine Schweiz, die sich vorbehaltlos und solidarisch hinter die Politik des Europarates stellt. Und sich damit dem Joch der Europäischen Union unterwirft, hat alle Legitimität als Gesprächs- und Verhandlungspartnerin verwirkt. In diesem Punkt muss ich dem russischen Botschafter Garmonin zustimmen.
Ich bin auch von der FDP enttäuscht …
Als bekennender FDP-Wähler und als bekennendes FDP-Nichtmitglied (!) bin ich auch von der Freiheitlich Demokratischen Partei enttäuscht. Damien Cottier, Nationalrat und Fraktionschef der FDP spricht davon, dass Berset die wohl gefährlichste Situation seit dem Zweiten Weltkrieg zu bewältigen habe. Und dass es dem Kern der Schweiz entspreche, in Konfliktzeiten Lösungen zu finden. Das mag durchaus als Slogan auf einem Wahlplakat dienen. Aber als Lösungsansatz dient sowas überhaupt nicht. Viel mehr manifestiert sich dahinter eine schier ungeheuerliche Naivität. Auch Herr Cottier verkennt, dass die Schweiz damit keine Konflikte löst, sondern sich lediglich mitten in die Konfliktherde hineinkatapultiert.
Sowohl auf europäischer wie auch auf internationaler Ebene will der Schweizer Alain Berset erfolgreich intervenieren, vermitteln und vereinen. Echt jetzt? Wo wohnt dieser Mann, im Wolkenkuckucksheim? Anstatt die Stolpersteine klar zu benennen, laviert die FDP wieder einmal herum. Warum hat er sich nicht von Beginn an gegen die Kandidatur von Berset ausgesprochen? Nie hätte ein Schweizer den Posten des Generalsekretärs anstreben sollen. Dass seit der Gründung des Europarates im Jahr 1949 noch nie ein Schweizer auf diesem Posten sass, sagt wohl viel über die Weitsichtigkeit unserer Vorfahren aus. Die Schweiz hat sich stets aus Konflikten herausgehalten. Auch um ihre Position als neutrale und unabhängige Vermittlerin nicht zu kompromittieren. Zu Recht.
… und von der Sozialdemokratischen Partei (SP) bin ich erst recht enttäuscht!
Mit Berset als Generalsekretär des Europarates fahren die KlimaSeniorinnen das nächste Mal mit einem 1. Klasse Zug-Ticket bis nach Strassburg oder Den Haag. Um dort ihre lächerliche Klage gegen die Schweiz zu deponieren. So spucken die KlimaSeniorinnen auf all diejenigen, die deren Luxus-Renten bezahlen und auch für das 1.-Klasse-Billett aufkommen müssen. Deren Arroganz und Selbstgefälligkeit kennt wohl keine Grenzen. Und das ist bloss der Anfang, befürchte ich. In der Medienmitteilung zur Wahl von Alain Berset schreibt Samira Marti, Nationalrätin aus Baselland und Co-Präsidentin der SP-Bundeshausfraktion: «Wir verstehen diese Wahl als Auftrag an die gesamte Schweizer Politik, die Gründungswerte des Europarates zu verteidigen und zu stärken.» Die SP-Nationalrätin insinuiert damit, die Schweiz verfüge selbst über keine verfassungsrechtlichen Grundsätze und dass das Recht auf Schutz der eigenen Integrität in der Schweiz nicht durch die Verfassung garantiert wäre. Ernsthaft jetzt? So eine Einstellung gegenüber unserem Land soll die Grundlage dafür sein, wie die Schweiz von der EU und der Welt gesehen wird. Als ein Schurkenstaat? Was Cédric Wermuth, Nationalrat aus dem Kanton Aargau und Co-Präsident der SP Schweiz dazu in den Äther hinaus plärrt, soll an dieser Stelle mit keiner Silbe gewürdigt werden. Maulfürze!
Wer sich in diesem Spiel als Gewinner wähnt, kann sich rasch in der Ecke des Verlierers wiederfinden. Und umgekehrt. Also hoffe ich auf der einen Seite inständig, dass sich die Schweiz nicht von den Grünen und Sozialdemokraten in weitere Kriege und Konflikte hineinziehen lässt. Und auf der anderen Seite hoffe ich, dass die bürgerlichen Parteien die Standfestigkeit dazu haben, damit am Ende nicht die Schweiz als Verliererin da steht …